2014-10-16

Gift und Galle spucken!

Habt Ihr diesen Monitor-Beitrag gesehen?



Es geht darin um eine junge Frau, zweifache Mutter, arbeitlos, der seitens des Jobcenters hinsichtlich ihrer beruflichen Qualifikation ein psychologischer Text aufgezwungen wurde. Hintergrund dieses Tests ist, das ist seit einiger Zeit bekannt und wird auch massiv kritisiert, dass die Jobcenter mit diesen Tests eine Aussortierung von arbeitsuchenden Menschen vornehmen. Laut Arbeitsagentur dienen diese Tests dazu festzustellen, ob ein Arbeitsuchender notwendige Kompetenzen aufweist, um an einer beruflichen Weiterbildung teilzunehmen. Es werden dabei nicht etwaige besondere berufliche Kompetenzen getestet, es wird lediglich der geistige Zustand überprüft. Er wird geprüft, ob der künftige Maßnahmenteilnehmer nicht vielleicht zu blöd ist, den Stift zu halten. Die Bewertung wird dem Bezugsempfänger nicht transparent gemacht.

Inoffiziell ist bekannt, dass die Arbeitsagentur diese Tests vorrangig dafür benutzt, um an einer Weiterbildung interessierte Bezugsempfänger, unter dem Vorwand eines Gutachtens dann abzulehnen – um Kosten zu sparen. Diese Begutachtung fällt dann tatsächlich nur manchmal auch nach einer persönlichen psychologischen Begutachtung aus. Der Bezugsempfänger muss Fragen beantworten, die in einer Art Flyer aufbereitet wurden.

Der SWR berichtete hierüber bereits im Juli 2013 im report unter dem Titel „Willkür bei der Arbeitsagentur”.

Bei dem Fall der in dem monitor-Beitrag besprochenen Frau geht die Agentur für Arbeit einen sehr interessanten neuen Weg, der in seiner Dreistigkeit wohl kaum noch getoppt werden kann. Diese Frau musste diesen Test machen, wurde laut ihrer eigenen Aussage gar nicht von einem Psychologen zum Gespräch gebeten. Man beschied ihr aber nach diesem Test laut „Gutachten nach Aktenlage” eine dauerhafte geistige Behinderung.

Das ist ein Skandal, der lt. monitor immer häufiger passiert in dieser Republik!

Noch einmal: diese Frau ist 41 Jahre alt, war immer in der Lage die ihr von der Agentur zugewiesenen 1-Euro-Jobs auszuüben, sie hat zwei Kinder groß gezogen, äußert sich vor der Kamera in klaren strukturierten Sätzen, denen man problemlos folgen kann. Sie schreibt eigenverantwortlich und selbstständig ihre Bewerbungen. Sie ist laut ihrer Aussage weder vom Sozialmedizinischen Dienst begutachtet worden, noch jemals in den 41 Jahre zuvor mit einer psychischen geistigen Behinderung diagnostiziert worden.

Das tut nun aber ihr zuständiges Jobceter. Ohne eine persönliche Begutachtung! Ohne Befugnis, ohne jegliche Kompetenz. Schon gar nicht mit der Beauftragung dieser Bezugsempfängerin, dass man an ihr eine derartige Begutachtung überhaupt durchzuführen habe.

Der eigentliche Hintergrund dieser Diagnose, davon abgesehen, dass man der Dame nunmehr keine Weiterbildung finanzieren muss, ist natürlich ein weiterer aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit legitimer Grund: sie kann jetzt nämlich befinden, dass die Dame aufgrund ihrer Behinderung dem Arbeitsmarkt für drei Stunden am Tag gar nicht mehr zur Verfügung stehen kann und sie somit an die Bundesversicherungsanstalt verweisen mit dem Hinweis, sie möge dort um ihre Verrentung ersuchen. Die BfA jedoch wird die Dame als absolut arbeitsfähig befunden und die Dame wieder zurück an das Jobcenter verweisen. Das kann aber Leistungszahlung verweigern, weil die Dame ja nicht arbeitsfähig ist.

In diesem Prozess stecken in diesem Land sehr viele Menschen. Sie werden von den Jobcentern in Frührente geschickt, weil man Leistungen sparen möchte, weil man die Statistik beschönigen möchte, weil man nicht zugeben möchte, dass der Arbeitsmarkt für einen Großteil der Bürger dieses Landes nicht mehr existiert.

Guckt man sich diesen monitor-Beitrag an, wird man – während vor der Kamera in dem Testflyer geblättert wird – einen interessanten Testteil entdecken, nämlich die Überprüfung der Fähigkeit des räumlichen Sehens. Das ist insofern sehr spannend, weil hier offensichtlich wird, dass gegebenenfalls ein mangelhaftes Sehvermögen, das meines medizinischen Fachwissens nach eine rein körperliche Beeinträchtigung darstellt und keine geistige, womöglich in die Beurteilung der geistigen Kompetenz einbezogen wird.

Das ist schon ein starkes Stück! Ich, zum Beispiel, habe eine Amblyopie, also an einem Auge einen verkümmerten Sehnerv. Mir als Kind das „sehende” Auge zuzukleben, um den faulen Sehnerv zu aktivieren, hatte man versäumt. Sie äußert sich darin, dass ich auf einem Auge extrem kurzsichtig bin, was die andere Seite mit einer extremen Weitsichtigkeit aber wett macht. Eine Katastrophe ist das nichtn. Es wirkt sich lediglich negativ auf mein räumliches Sehen aus. Ich sehe etwas später als andere, wenn von rechts hinten etwas in mein Blickfeld rutscht. Ich spiele nicht gerne Computerspiele, die mit tieferen Ebenen daher kommen, denn das zu erfassen, sich im Bildwechsel schnell zurecht zu finden, ist für mich unangenehm anstrengend. Gestört hat es mich nie, ich kenne es nicht anders. Das Tragen einer Brille hilft nicht, denn der verkümmerte Sehnerv meldet nun mal keine scharfen Bilder an das Gehirn.

Jetzt stelle ich mir vor, ich mache diesen bekloppten Test von der Agentur und erziele womöglich beim Punkt „räumliches Sehen” keine Punkte. Vielleicht versage ich noch bei zweikommafünf Rechenaufgaben – und dann bin ich womöglich prompt geistig behindert – aus Sicht einer Behörde, die überhaupt keine Befugnis hat, solche Urteile über die ihr anvertrauten Schutzbefohlenen zu fällen? Und die sich bei einer solchen möglichen Diagnose dann auch noch als zu bescheuert heraus kristallisiert, die betreffende Person vorab einer fachkompetenten Person vorzustellen?

Seht Euch diesen Beitrag an. Nehmt diesen unglaublich inkomptenten Pressesprecher des Jobscenters zur Kenntnis.

Ihr könnt übrigens etwas tun: Ihr könnt Euren Lieblingsabgeordneten schreiben und ihn auffordern bei dieser Behörde den Test und vor allem sein Bewertungsschema zu veröffentlichen, also transparent zu machen. Außerdem könnt Ihr die Aufforderung aussprechen, die Anwendung dieser zweifelhaften psychologischen Tests – vor allem aber eine Begutachtung alleine aufgrund der Aktenlage – ab sofort zu unterbinden.

Oder könnt Ihr sicher sein, ob nicht auch Euch diese Art von Schikane treffen kann?

(Kommentare sind aus Gründen der Erfahrung aus.)